Denkmäler
Das Steinhaus: Ein repräsentativer Bau für die Verwaltung des Klosterbesitzes werden
Das Haus am Moormannplatz 10-12 ist ein gutes Beispiel der im Münsterland oft anzutreffenden Burgmannshöfe. Die übrigen, die es in Werne gegeben hat, der Cappenberger-Hof und der Domhof, sind inzwischen abgerissen. Ursprünglich ist das Gebäude außer der Christophorus-Kirche, dem Rathaus und ab 1680 dem Kloster das einzige Haus aus Stein in Werne. Daher hat man es „Steinhaus“ genannt.
Im Steinhaus residiert der Droste des Klosters zu Werden. Zu seinem Verwaltungsbezirk gehören in und um Werne 44 Höfe. Ihm zugeordnet sind Haupt- bzw.- Schulzenhöfe. Für die Höfe der Bauerschaft Werne ist das der Abdinghof. Nördlich ist das der Hof Deipenbrock in Holthausen. Die Bauern, die dem Kloster Werden „eigenhörig“ sind, werden „Abdinkhöfer“ genannt. „Abdingen“ hat die Bedeutung von „Verpflichtungen ableisten“, in diesem Fall dem Abt des Klosters zu Werden. Die Drosten haben die Aufgabe, die Höfe zu beaufsichtigen, Abgaben einzuziehen und zudem, sie vor Angriffen zu beschützen.
Das Steinhaus wird vor 1400 von der Abtei Werden für ihre Drosten erbaut; es wird somit Sitz eines Burgmannen bzw. Ritters, der die Besitzungen des Klosters verwaltet. Das Kloster Werden an der Ruhr (heute zu Essen) ist eine Abtei der Benediktiner gewesen. Es wird vom heiligen Liudger um 800 gegründet. Vermutlich geht auf ihn auch die kleine Kapelle (803) zurück, die die Urzelle von Werne ist. Nachdem Liudger Bischof von Münster geworden ist, teilt er den ursprünglich großen Besitz des Bistums auch rings um Werne zwischen Münster und Werden auf. Das Kloster wird ein Königs- bzw. Reichskloster, ist zeitweilig eng mit der Kaiser- und Königsfamilie der Ottonen verbunden und wird auch immer wieder mit zahlreichen Gütern ausgestattet, die verstreut von den Niederlanden bis nach Westfalen reichen. Um 1100 sind es etwa 1200 Höfe. 44 Höfe in und um Werne sind dem Kloster „eigenhörig“. Das bedeutet: Diese sind gemäß genau festgelegter Verträge, sogenannter Gewinnbriefe, verpflichtet, zahlreiche Abgaben an das Kloster zu entrichten.
Im Wechsel: zahlreiche Herren und Besitzer
Die Drosten sind Ministeriale; sie werden zu Lehnsträgern der Grundherren, zunächst von niedrigem Stand steigen sie zu Rittern auf. In den Urkunden des Klosters Werden ist ein Lehnsinhaber für Werne zum ersten Mal am 14. April 1380 erwähnt. Vermutlich wird in der Folgezeit ein Burgmannshof für ihn erbaut, der schrittweise bis etwa um 1500 zu dem Renaissance-Bau erweitert bzw. umgestaltet wird. Die Drosten im Steinhaus wechseln recht schnell, und zwar durch Erbe und Verkauf. Zuerst erwähnt ist Engelbert von Loen, dann folgt 1393 Gödeke, 1442 Johann von Lembeck, 1484 Rötger von Diepenbrock. Die Abgaben, sogenannte „Gefälle“, der „eigenhörigen“ Höfe sind genau aufgeschlüsselt, an die Abtei, an den Drosten, an die Schulzen auf den Haupthöfen. Schon früh verselbstständigt sich das Drostenamt so, dass es einschließlich der Besitzungen vererbt oder verkauft werden kann. Mit der Vererbung oder dem Verkauf bleiben die Gefälle an Kloster und Drosten bestehen. Bei jedem Wechsel muss eine hohe Summe an Talern an das Kloster gezahlt werden. Ab 1565 gibt es eine langfristige Lösung: Durch Heirat und Erbe fällt ein großer Teil des Klosterbesitzes in Werne, zunächst vermutlich die Besitzungen im Norden Wernes, an die Familie Merveldt auf Westerwinkel. In dem Vertrag von 1565 zwischen der Familie Merveldt auf Westerwinkel und dem Abt von Werden sind zahlreiche Gefälle exakt aufgelistet, die Merveldts dem Abt leisten müssen. 1652 erwirbt ein von Merveldt weitere Güter des Klosters, vermutlich den Abdinghof mit 10 Unterhöfen in der östlichen Bauerschaft Wernes. Sie bleiben Eigentümer bis 1806. Daher stammt auch der Name „Merveldter Hof“. Nach weiteren Besitzwechseln kauft die Unternehmer-Familie Moormann schließlich das Steinhaus und integriert es in die im Stadtkern erbaute Hefefabrik. Nach deren Abriss wird das Haus von der Stadt Werne 1982/83 umfassend restauriert. Heute dient es als Stadt-Bücherei.
Eine reich geschmückte Fassade
Mit der prächtigen Renaissance-Fassade und den rotweißen Fensterläden ist das Haus ein Schmuckstück in der Werner Denkmallandschaft. Es ist ein zweigeschossiger, giebelständiger Backsteinbau mit Werksteingliedern. Das besondere Merkmal des Renaissance-Stils ist der Dreistaffelgiebel mit den drei Halbradaufsätzen. Dazu gehört ferner, dass die Fassade reich nach geometrischen Mustern gegliedert ist: mit Gurtgesimsen, einer horizontalen Giebelaufteilung und mit Werksteinzahnschnittfriesen. Weitere Merkmale der Geschoßteilung sind die drei Fensterachsen, die sich nach oben verjüngen. Am Fuße des Giebeldreiecks ist ein Wappenstein eingefügt.
Der Wappenstein, ein Symbol der christlichen Verantwortung des Klosters
Am Fuß des Giebels befindet sich der Wappenstein: ein bekröntes Schild von Löwen gehalten. Auf dem Schild unter der Krone ist als Wappentier ein Pelikan gestaltet, und drei Pelikanküken nähren sich am Blut des Muttertieres, das seine Brust aufgeritzt hat.
Diese Pelikangestaltung ist ein häufig verwendetes heraldisches Motiv voller Symbolkraft. Das Bild des Pelikans, der mit dem Schnabel die eigene Brust öffnet und mit seinem Blut seine toten Jungen wieder ins Leben zurückholt, wird allegorisch mit dem Opfertod Jesu Christi verknüpft und ist häufig ein Bild auf sakralen Gegenständen beim Abendmahl.
Die Löwen stehen aufrecht, ihre Köpfe mit ausgestreckten Zungen sind auswärts gekehrt. Das ist ein eindrucksvolles Symbol für Wehrhaftigkeit. Was verteidigen sie? Mit ihrem Hinterkopf tragen sie eine achtzackige Krone, die über dem Pelikanmotiv schwebt. Gekrönte Wappentiere veranschaulichen Macht und Normen ihrer Auftraggeber; die Zahl der Zacken sind Zeichen ihres Ranges. Fiel ein Zacken aus der Krone, bedeutete das eine Erniedrigung. Kronen sind auch Herrschaftssymbole. Somit können kaum die Ritter, die im Steinhaus residieren, die Auftraggeber gewesen sein. Auf dem Steinrahmen steht die Jahreszahl 1605. Die Herren auf Westerwinkel erhalten den Grafentitel erst im 18. Jahrhundert. Das Kloster Werden übt als reichsunmittelbares Kloster hoheitliche Herrschaftsrechte aus. Der symbolische Bezug des Wappenbildes zum Kloster ist offensichtlich: Abt und Mönche, so lautet ihr Anspruch, verteidigen die Heilsbotschaft Christi. Der lateinische Spruch auf dem oberen Steinrahmen des Bildes, „Per aspera vinces“, verstärkt diese Bedeutung. Der Spruch „Per aspera ad astra“, übersetzt „Durch alle Widrigkeiten zu den Sternen“, wird abgewandelt zu „Per aspera vinces“, „Gegen alle Widrigkeiten wirst du siegen“. Das ist ein Appell und drückt zugleich Hoffnung und Standhaftigkeit im Kampf für christliche Werte aus. Denen fühlen sich die Benediktiner verpflichtet.
Macht im Widerstreit zu christlicher Norm
Vielfach ist für das Mittelalter bezeugt, dass fast alle Herren christlichen Geboten oft nicht gefolgt sind. Ein Beispiel zeigt, dass das offensichtlich auch für die Mönche gilt. Ein heftiger Streit ereignet sich im 16. Jh. in den nördlichen Bauerschaften Wernes. Im Jahre 1542 gibt es dort einen größeren Bauernaufstand. Das ist 17 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der weiträumigen Bauernaufstände in Süddeutschland. Die „Abdinkhöfer“ Bauern, das sind die, die dem Kloster Werden „eigenhörig“ sind, haben sich erhoben. Die Aufständischen sind mit dem „Abdingen“ der hohen Leistungen an das Kloster nicht mehr einverstanden und fühlen sich von der klösterlichen Herrschaft unterdrückt. Da Vögte und Drosten oft ihr Recht zur Bedrückung der Höfe missbraucht haben, ist zu vermuten, dass auch die Ritter im Steinhaus die Abgaben zu eigenen Gunsten drastisch erhöht haben. Der Anführer der Erhebung ist Johann Deipenbrock. Sein Hof in Holthausen ist einer der Haupthöfe des Klosters Werden. Die Verpflichtung dieses Schulzenhofes, die Abgaben für den Abt zu kontrollieren, trägt den Deipenbrocks den Beinamen Abts ein. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen, und Johann Deipenbrock wird zur Strafe in Werne lebendig verbrannt.
In diesem Zusammenhang schimmern im Wort „aspera“ weitreichendere Bedeutungen auf: Strenge, Unerbittlichkeit und Mitleidlosigkeit.
Das Haus ist am 21.03.1985 in die Denkmalakte eingetragen.
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