Die sogenannten Wärmehäuschen aus dem 16. Jahrhundert wurden einst von den Bauern der Umgebung als Speicher und zum Aufwärmen nach dem Kirchgang benutzt, berichtete Karl-Heinz Schwarze den TeilnehmerInnen des Rundgangs. Das Fachwerkhaus Nr. 24 zwischen Kirchhof und Roggenmarkt von 1447 gilt als eines der ältesten Kleinfachwerkhäuser Westfalens. Foto: Stengl
Werne. Zu einem Rundgang durch die Werner Innenstadt hatte der Verein „Freunde des historischen Stadtkerns“ eingeladen. Der Vorsitzende des Vereins, Karl-Heinz Schwarze, führte die rund 20 interessierten TeilnehmerInnen zu den Fachwerkbauten in der Altstadt. Schwarze erläuterte Bauweise und Bedeutung der Gebäude und wusste so manche Anekdote zu erzählen über die Menschen, die hinter den Fachwerkfassaden lebten.
Bis etwa zum Jahr 1850 gab es außer der Christophoruskirche, dem Rathaus, dem Steinhaus und dem Kloster nur Fachwerkbauten. Heute bestehen im Altstadtring der Stadt Werne noch knapp 20 Prozent der Gebäude in Sichtfachwerk, etwa weitere 30 Prozent in maskiertem Fachwerk.
Viele der historischen Fachwerkfassaden in Werne wurden Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts verputzt und verloren ihren optischen Reiz. Der Bergbau brachte der Stadt wirtschaftlichen Aufschwung. Viele Hausbesitzer wollten ihren Fachwerkhäusern durch den Putz städtisches Ansehen verleihen. Ein weiterer Grund war, die Gefachung besser vor Feuchtigkeit und Schädlingen zu schützen.
Fachwerk ist eine Skelett- bzw. Modulbauweise. Ackerbürger etwa, die aus den Feldmarken in den Schutz der Werner Mauer zogen, konnten ihre Häuser draußen abbauen und in der Stadt wieder aufrichten. Die einzelnen Holzbalken wurden mit Abbundzeichen markiert, sodass deren Lage genau bestimmbar war. Wichtig war der Unterschied zwischen den horizontalen Elementen – Schwelle. Rähm, Riegel, Pfetten – und vertikalen – Pfosten, Stab, Ständer. Zur Stabilisierung des Holzskeletts waren schräge Versteifungen nötig, das sind Strebe, Bug und Bund. Diese sorgten vor allem für die Statik, die Stabilisierung des Fachwerkskeletts. Die einzelnen Bauteile wurden verzapft, d. h. ohne Nägel oder andere Metallteile nur mit Holzzapfen miteinander verbunden.
Stadtmauer als Rückwand
An der Größe der Fachwerkbauten lässt sich der Unterschied von reich zu arm ablesen. Die größten gehörten vornehmlich Besitzern von Brauereien und Wirtschaften, heute noch sichtbar am Hotel Baumhove und am Pfarrheim. Diese sind in Stockwerkbauweise errichtet, d. h. jedes Stockwerk ist einzeln verzimmert. Das ermöglicht ein größeres Raumvolumen, auch dadurch, dass die einzelnen Stockwerke weit vorkragen. Bei beiden bot ein großer, dreistöckiger Dachstuhl viel Lagerraum für Vorräte, vor allem für Ernteerträge. Für diese waren auch größere Gewölbekeller erbaut worden.
Die Ärmeren, Tagelöhner, Mägde, Knechte, wohnten in kleineren Häusern. Zumeist waren das Gademe. Es waren oft nur Einzimmerwohnungen. Einige lehnten früher an der Stadtmauer; das ersparte eine Außenwand, so heute noch erkennbar an der Südmauer 41.
Andere waren angefügt als Hinterhaus, abseits der Steinstraße, der wirtschaftlichen Lebensader der Stadt, oder eingeklemmt zwischen großen Häusern. Gut restaurierte Beispiele sind Kirchhof 2a und Moormannplatz 2, auch Roggenmarkt 24. Diese kleineren Fachwerkhäuser sind zumeist in der Ständerbauweise errichtet, d. h. ein Ständer, der zwei Stockwerke hoch ragt, reicht von der Schwelle bis zur Traufe. Die Stockwerkbalken wurden in die tragenden Ständer verzapft.
Bunte Schnitzereien
Während die kleineren Fachwerkbauten schlicht gehalten sind, weisen die größeren zahlreiche Schmuckelemente auf, reich gestaltete Profile an den Knaggen, bunt bemalte Taustabschnitzereien, Figurenschnitzereien an Balken, Backsteinmuster in den Gefachen.
Am Haus Kirchhof 15 befinden sich die schönsten Schmuckelemente, geschnitzte farbige Männermasken. Sie zeigen antike mythische Figuren, und zwar die Götter Pan und Bacchus und einen Männerkopf, der die Zunge herausstreckt. Der Bauherr wollte damit seinen Stolz, seine Lebensfreude und seine bürgerliche Wehrhaftigkeit allen Nachbarn und Vorübergehenden vor Augen führen. Solche Motive fand man in jener Zeit als Figur über Burgtoren.
Als im 17. und 18. Jahrhundert die Pest in Werne wütete, übernahmen die Mönche die Pflege der Kranken. Ein Teil des Klosters, das Pesthäuschen, erinnert noch heute daran. Um andere nicht anzustecken lebten hier die Mönche, die mit kranken Menschen in Kontakt gekommen waren. Foto: Schwarze
Die Jahreszahl 1563 wurde nach dem Ausbau des Hauses in eine Konsole eingeschnitzt. Durch die 1959 erfolgte Freilegung des Fachwerks erhielt das Haus seine ursprüngliche Schönheit zurück. Die fachgerechte Restaurierung lässt erkennen, mit welchem besonderen handwerklichen Können unsere Vorfahren beim Bau des Fachwerkhauses zu Werke gegangen waren.
Das Fachwerkhaus Kirchhof 2 + 2a zwischen Kirchplatz und Markt entstand in zwei Abschnitten. Um 1610 wurde der 1560 errichtete Speicher überbaut und erweitert. Foto: Schwarze